Mozart´s Tempo-System |
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METRONOME
Ein Thema, das Mozart
und Haydn eigentlich nicht betrifft; sie hatten und
benötigten
keinen mechanischen Zeitmesser. Ihr feingradiges System von
über
300 Tempo-Modulen aus Taktart, kleinster
Notenklasse
und Tempowort war einer rein physikalischen Geschwindigkeits-Messung
weit überlegen. Selbst
Beethoven, der sich für Mälzels Erfindung von 1814
zunächst
begeisterte, machte in 11 Jahren nur zu 25 seiner
über 400
Werke Metronomangaben!
Unter den zahlreichen Quellentexten zur Zeitmessung mittels Pendel gibt es jedoch keinen einzigen, der den Begriff "Schwingung" oder „vibration“ als volles Hin- und Her des Pendels von einem Extrem zum anderen und wieder zurück definiert; im Gegenteil wird in praktisch allen Quellen entweder das volle Hin- und Her als "zwei Schwingungen" bezeichnet oder ausdrücklich die Zählzeit auf eine Halb-Schwingung bezogen. - Abgesehen von der Unmöglichkeit, das vom Inhalt bestimmte Tempo eines Musikstückes physikalisch zu definieren: was sagen kompetente Theoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts und Mälzel selbst als Erfinder des heutigen Gerätes dazu? (siehe: Helmut Breidenstein: "Mälzels Mord an Mozart. Die untauglichen Versuche, musikalische Zeit zu messen") Metronome A topic that does not really affect Mozart and Haydn; they had no metronome and did not need any mechanical time measuring tool. Their system of more than 300 time-modules consisting of meter, smallest note-value and tempo-word (with most delicate gradations) was highly superior to a merely physical speed measurement. Even Beethoven who at first was enthousiastic about Mälzel’s invention (1816) gave metronome indications to only 25 out of his more than 400 works! According to the "metric" theory of E. Schwandts', W. R. Talsmas’ and their adherents classical music ought to be performed twice as slow than before, since indications of metronome and pendulum allegedly refer to a full swing of the pendulum: a complete to and fro. Even most questionable metronomisations from the nineteenth century for Mozart’s and Haydn’s works were used as a basis. Among the numerous historical sources dealing with measuring musical time by means of a pendulum there is however not a single one defining the term "vibration" as a full to and fro of the pendulum from one extreme to the other and back; on the contrary they all either call the full swing "two vibrations" or they say that the beat of the music is to be refered to a half swing of the pendulum. - Apart from the impossibility of defining the tempo of a musical piece physically - as it is defined by its contents: what do competent theorists of the 17th and 18th centuries and Mälzel himself as the inventor of the modern apparatus say? (see also: Helmut Breidenstein: "Mälzels Mord an Mozart. Die untauglichen Versuche, musikalische Zeit zu messen") **** Der Mathematiker Marin MERSENNE schlug 1636 als Erster vor, gemäß Galileis gerade entdeckten Pendelgesetzen ein Fadenpendel zur Tempobestimmung in der Musik zu verwenden: "Si on veut que chaque mesure dure une seconde, on marquera 3 1/2 [pieds royal], qui signifie que le pendule fait une demie vibration en une seconde." Und weiter: „Quand ie dis que chaque tour de la chorde de trois pieds & demi de long dure une seconde d’heure i’entens que le chemin qu’elle fait depuis le point K [linkes Extrem auf seiner Darstellung], auquel on a levé le poids B, iusques au point L [rechtes Extrem] soit un tour, & que son retour de L à K soit le second tour, & ainsi des autres: de sorte que le tour KL & le retour LK dure deux secondes. » (Harmonie universelle, Paris 1636, Livre II, S. 135.) - „Wenn man will, dass jeder Takt eine Sekunde dauert, markiert man 3 1/2 [pieds royal], was bedeutet, dass das Pendel eine halbe Schwingung in einer Sekunde macht.“ Und weiter: "Wenn ich sage, dass jede Schwingung des Fadens von 3 1/2 Fuß Länge eine Sekunde dauert, meine ich, dass der Weg, den das Pendel vom Punkt K [linkes Extrem auf seiner Darstellung], bis zu dem man das Gewicht angehoben hat, bis zum Punkt L [rechtes Extrem] eine Schwingung, und der Rückweg von L nach K eine zweite Schwingung sei, und so auch die anderen: derart dass die Schwingung KL und die Rückkehr LK zwei Sekunden dauern.“ Einen Absatz weiter oben hatte er irrtümlich geschrieben „chaque tour avec le retour marquera iustement une seconde d’heure“, dies aber später in seinem Druckexemplar in einer handschriftlichen Randbemerkung und im Text im obigen Sinne zu „chaque tour ou retour“ korrigiert. ("Harmonie universelle", Paris 1636, Livre II, S. 135) - (Da die Pendellänge für eine Halbschwingung von 1 sec. 99,39 cm beträgt, muss Mersennes pied royal übrigens 28,397 cm gemessen haben und nicht 32,48 cm wie der Alte Pariser Pied Royal.)
**** Der Erfinder Louis Léon PAJOT (Pajeau, Pageaut), Comte d’Ons-en-Bray (D’Onzembray), verbesserte 1732 das unhörbar schwingende Pendel Louliés von 1646, dessen Länge - hinter Mersenne zurückfallend - ohne Zeitbezug in pouces (= 1/12 seines "pied universel" von 33,12 cm) gemessen wurde: 1.) durch Bezug der Pendellängen auf physikalische Zeit (x/120 Sekunden pro Zählzeit) und 2.), indem er den Pendelschlag durch das Knacken des von einem Gewicht angetriebenen Sperrades in einer umgebauten Standuhr (das wegen eines Druckfehlers bisher übersehen wurde) hörbar machte: "... une Pendule, dont les battements du rocher [recte: rochet = Sperrrad, Hemmrad!] se font entendre distinctement, ainsi on connoît par l’oreille le Commencement & la Fin de chaque vibration.“ - [„.. eine Standuhr, bei der die Schläge des Sperrades deutlich hörbar sind, so dass man mit dem Ohr den ANFANG und das ENDE jeder Schwingung erkennt“]. -Gemäß dem Prinzip einer Scherenhemmung also zwei Knacks pro Ganzschwingung - exakt wie bei Mälzel!) („Description et usage d’un Métronome .. ", in: "Histoire de l’Academie Royale des Sciences" Paris 1732, S. 185 und Abbildung S. 196.) **** Henri-Louis CHOQUEL spricht in "La Musique rendue sensible par la Méchanique" (Paris 1762, S. 116/117) im gleichen Sinne von ZWEI Zeiten des Pendels auf seinem Weg von der Mitte nach links zum Extrem A und nach rechts zum Extrem B (genau wie bei Mälzel), und empfiehlt den Dirigierschülern sogar, mit den Schlägen des Pendels mitzudirigieren und zur Übung jedesmal bei Punkt A „Eins“ zu sagen und bei Punkt B „Zwei“. Henri-Louis CHOQUEL as well speaks 1762 about TWO times per full swing of the pendulum. He even advices conducting students to follow the pendulum with their arm and to pronounce "One" at the left extreme and "Two" at the right one. **** GABORY, "Manuel utile et curieux sur la mesure du temps" (Anger 1770), S. 113: "On appelle vibration, le chemin que fait ce corps pesant [suspendu à un fil] pour se porter d’un côté à l’autre de sa perpendiculaire; ensorte que l’aller & le venir font DEUX vibrations." "We call vibration the distance that this weight covers [hanging on a thread] swinging from one side of its perpendicular to the other; so that the coming and going make TWO vibrations." "Schwingung nennt man den Weg, den dieser schwere Körper [an einem Faden-Pendel] zurücklegt, um sich von der einen Seite seiner Senkrechten zur anderen zu bewegen; so dass die Hin- und Her-Bewegung ZWEI Schwingungen ausmacht." **** Johann
Nepomuk MÄLZEL, "Directions for using
Maelzel's
Metronome" (Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde
Wien): **** Nicolaus von ZMESKALL (ein Freund Beethovens), „Tactmesser, zum praktischen Gebrauch geeignet.“ (Beschluss)“ in: (Wiener) Allgemeine Musikalische Zeitung Nr. 36, 4. Sept. 1817, Sp. 305/06. In seiner „Anweisung zur Verfertigung und Anwendung“ seines Fadenpendels: "für den Tonsetzer: Dieser wählt aus seinem zu bezeichnenden Tonstücke irgend eine Gattung Note, deren Dauer sich mit der Schwingung der Kugel (EINZELNEM Schlage derselben von einer Seite zur andern, einem Pendelschlage) am bequemsten angeben lässt.“ [Der Klammersatz ist original Zmeskall.] In his instructions for the use of his string pendulum: “the composer chooses from the piece of music he wants to mark a note value the duration of which can be indicated most easily by the swing of the ball (a SINGLE swing from one side to the other). [The sentence in brackets is Zmeskall`s original.] **** Carl CZERNY, "Vollständige theoretisch-practische Pianoforte-Schule ... in 4 Theilen, op. 500", 3. Theil, 1839, "Von dem Vortrage", 7. Kapitel "Vom Gebrauch des Mälzelschen Metronoms (Taktmessers), S. 48f. "§1 Das
Mäzel'sche Metronom hat einen mehrfachen Zweck: [...] **** Jacob Gottfried
WEBER, "Über chronometrische
Tempobezeichnung,
welche ohne Chronometermachine überall sogleich verstanden und
angewendet werden kann". (Über sein Fadenpendel.
Auch
als Übersetzung aus dem Englischen: "Über
eine
chronometrische Tempobezeichnung, welche den Mälzelschen
Metronomen, sowie jede andere Chronometer-Maschine entbehrlich macht"
[Wiener AmZ 1817 Nr. 25, 15.6.1817, S. 3f]): **** Adolf Bernhard MARX, "Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften oder Universal-Lexicon der Tonkunst" (1835), Herausgeber: Gustav Schilling, Band II, Artikel "Chronometer", S. 239: "Chronometer.
[...] Der Componist schiebt nun, um das Tempo zu bezeichnen, jenes
Bleigewicht auf einen größern oder geringern
Bewegungsgrad
nach der Angabe, die sich hinter dem Pendel auf der Gradtafel
befindet, und bestimmt über dem Anfange seines
Tonstücks,
daß die Viertel, oder Achtel, oder halbe Noten etc. in
demselben so lange dauern sollen, als EIN PENDELSCHLAG DES
METRONOMEN. [...] Jede chronometrische Feststellung [ist] nur ein Nothbehelf
für die durchaus unersetzliche und
unentbehrliche künstlerische Auffassung. Aber noch mehr: sie
ist
nicht einmal absolut anwendbar, eben wegen ihrer absoluten
Bestimmtheit. Es ist nämlich leicht einzusehen, daß
ein
und dasselbe Tonstück gar nicht jedesmal und durchaus nach
demselben Grade der Bewegung vorgetragen werden darf. **** >>> Selbst ohne Heranziehung der sich direkt auf die klassische Musik beziehenden Texte aus dem 19. Jahrhundert hat Peter Reidemeister mit dem Nachweis willkürlicher Missdeutung der älteren Quellentexte durch Schwandt, Talsma und ihre Schule 1988 die "Doppelt-so-langsam"-Theorie absolut schlüssig widerlegt. ["Historische Aufführungspraxis. Eine Einführung"; Darmstadt 1988, S. 107-135]. >>> Eine ausführliche Darstellung der historischen Methoden zur Tempomessung mit einer Zusammenstellung aller Pendelangaben des 18. Jahrhunderts (allerdings ohne Berücksichtigung der ebenfalls sehr schnellen Tempi auf den Orgelwalzen Engramelles in Dom Bedos' "L'Art du Facteur d'Orgues"), sowie der verschiedenen Theorien zu ihrer Interpretation von Manfred Wastl (1992): "Das Tempo der Französischen Hof-Tänze im 18. Jahrhundert, oder : Das Fadenpendel als Vorläufer des Metronoms". Weitere empfehlenswerte Literatur zum Thema:
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Aktualisiert 13.08.2008
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